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9.11.1939 - Seite 1
Sw. 9.11.39 [Lazarett in Swinemünde]
Der Mensch erlöst sich selbst und damit die ganze Natur.
Schopenhauer
Ich schreibe zu deinem Geburtstag und da will ich dir vor allem sagen, daß ich dir u. den Deinen wünsche, daß alle Erwartungen, die Ihr sicherlich auf dein nächstes Lebensjahr setzt, sich reichlich erfüllen mögen.
Was die Zeit Euch an äußeren Werten vielleicht vorenthält, möge innerer Reichtum ersetzen. Leider fällt dein Geburtstag in eine dunkle Zeit - wenigstens wie ich sie sehe. Leider kann ich auch nicht, wie es sein müßte, in froher Stimmung schreiben. Nach dem Polenkrieg u. den Bildern der Lazarette wünsche ich mir manchmal den Tod. Das ist nicht wörtlich gemeint, nur ich bin innerlich so „des Treibens müde“, daß ich kaum den Ansprüchen gewachsen sein werde, die man auch in Zukunft von mir verlangt. Ich bin an einem Punkt, wo ich keinen Finger mehr um mein Schicksal rühren möchte. Auch meine Beschäftigung mit philosoph. Problemen hört mehr und mehr auf. Solange Krieg ist, werde ich alle Fragen ruhen lassen, außer der einen nach mir selbst.
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