RR “““ - zum Grab Schwendeners



HU Nr. 34-1981/82
WISSENSCHAFT

Begründer der physiologischen Pflanzenanatomie
Simon Schwendener zum Gedenken

In die Reihe der Mitbegründer einer modernen allgemeinen Botanik gehört Simon Schwendener. Er hat vor allem durch seine 1874 erschienene Arbeit „Das mechanische Prinzip im anatomischen Bau der Monocotylen“ der Weiterentwicklung der Botanik starke Impulse verliehen. Dieses Werk wurde zum Ausgangspunkt eines neuen Zweiges der Botanik, der physiologischen Pflanzenanatomie.

Simon Schwendener, am 10. Februar 1829 in Buchs (Schweiz) geboren, studierte in Genf und Zürich unter anderem bei Alphons de Candolle und Oswald Heer. Nach seiner Promotion zum Dr. phil. („Über die periodischen Erscheinungen der Natur, insbesondere der Pflanzenwelt“, 1856) ging er als Assistent zu Carl Wilhelm von Nägeli, unter dessen Einfluß er sich nach eigener Aussage „erst zum Botaniker im strengsten Sinne des Wortes“ entwickelte. Auf Anregung Nägelis führte Schwendener mikroskopische Untersuchungen an Flechten durch und verfaßte gemeinsam mit seinem Lehrer das beinahe legendär gewordene zweibändige Werk „Das Mikroskop“ (1865 bzw. 1867), das die Basis seiner späteren mikroskopischen Forschungen bildet und ihn in die Reihe der großen Mikroskopiker stellt. 1860 habilitierte sich Schwendener mit der Arbeit „Untersuchungen über den Flechtenthallus“ und wurde als Privatdozent an der Universität München zugelassen.

Im Jahre 1867 erfolgte seine Ernennung zum ordentlichen Professor der Botanik an der Universität Basel. Hier brachte Schwendener zunächst seine Flechtenstudien zum Abschluß und führte in der Arbeit „Die Algentypen der Flechtengonidien“ (1869) den Nachweis, daß Flechten keine selbständigen Individuen sind, sondern Vereinigungen von Algen und Pilzen darstellen. Diese originelle Erkenntnis zwang nicht nur zu einer taxono-mischen Neuordnung der Thallophyten, sondern sie war auch für die sich später entwickelnde Symbiose-Forschung von großer Bedeutung.

Ebenfalls in Basel entstand das Werk, mit dem Schwendener zum Begründer der physiologischen Pflanzenanatomie wurde. In der umfangreichen Schrift „Das mechanische Prinzip im anatomischen Bau der Monocotylen“ (1874) stellt und beantwortet er die Frage, welche Festigungseinrichtungen den Pflanzen zur Verfügung stehen und ob sich in Bau und Anordnung dieser Einrichtungen die Anpassung an ihre Funktion zu erkennen gibt. Die Fragestellung nach dem Zusammenhang von Bau und Funktion pflanzlicher Strukturen war vor allem deshalb so bahnbrechend, weil sich die Pflanzenanatomie vor Schwendener auf eine rein deskriptive Darstellung beschränkte. So ist es denn auch nicht verwunderlich, daß die anatomisch-physiologische Betrachtungsweise Schwendeners bei den Botanikern seiner Zeit auf Ablehnung und Widerstand stieß. Dessen ungeachtet hat sie sich schon zu seinen Lebzeiten uneingeschränkt durchgesetzt und ist den heutigen Botanikern so selbstverständlich geworden, daß man sich ihres Begründers kaum noch erinnert.

1877 wurde Schwendener als Nachfolger von Wilhelm Hofmeister nach Tübingen berufen. Hier lernte ihn Gottlieb Haberlandt kennen, der zu seinem Schüler und zum bedeutendsten Vertreter der physiologischen Pflanzenanatomie wurde.

Bereits ein Jahr später folgte Schwendener dem Ruf an die Berliner Universität. Er übernahm den Lehrstuhl für Anatomie und Physiologie der Pflanzen und gründete das Botanische Institut. Für das Studienjahr 1883/84 wurde Schwendener zum Dekan der Philosophischen Fakultät und 1887/88 zum Rektor der Königlichen Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin berufen.

In Berlin hat sich Schwendener ganz der Lehrtätigkeit verschrieben. Von seinen Schülern wurde er geachtet und verehrungsvoll „Meister Simon“ genannt. Viele von ihnen machten sich später mit großen naturwissenschaftlichen Leistungen ebenfalls einen Namen. Die bedeutendsten waren neben dem schon genannten Haberlandt vor allem Erwin Baur, Carl Erich Correns, Emil Heinricher, Ernst Küster, Heinrich Schenk und Alexander Tschirch. Die 32jährige Lehrtätigkeit Schwendeners am Berliner Botanischen Institut endete 1910 mit seiner Emeritierung.

Im Jahre 1879 wurde Schwendener zum ordentlichen Mitglied der Königlichen Preußischen Akademie der Wissenschaften gewählt. Aus der Vielzahl der Arbeiten, die Schwendener in den Sitzungen der mathematisch-physikalischen Klasse vorstellte, sind „Bau und Mechanik der Spaltöffnungen“ (1881) und „Die Spaltöffnungen der Gramineen und Cyperaceen“ (1889) die bedeutendsten. 1912 wurde Schwendener auf Vorschlag von Emil Fischer, Wilhelm Waldeyer und Max Planck die höchste Auszeichnung der Akademie, die Helmholtz-Medaille, verliehen.

Gemeinsam mit Nathanael Pringsheim und August Wilhelm Eichler regte Schwendener 1882 die Gründung der Deutschen Botanischen Gesellschaft an. Von 1882 bis 1892 war er 1. Vorsitzender dieser Gesellschaft in Berlin. Nach dem Tode Pringsheims wurde er 1896 zum Präsidenten der Gesellschaft gewählt, und von 1909 bis zu seinem Tode stand er ihr als Ehrenpräsident vor.

Am 27. Mai 1919 starb Schwendener neunzigjährig in Berlin. In den botanischen Bereichen der Sektion Biologie unserer Universität wird das wissenschaftliche und geistige Erbe Schwendeners bewahrt und gepflegt.

Ekkehard Richter
Bereich Pflanzenphysiologie



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Einige Bücher durch die Schwendener bekannt geworden ist, sind vollständig im Netz:
[https://archive.org/search.php?query=Schwendener%20AND%20collection%3Abiodiversity]
hier:
↓ "Die Algentypen der Flechtengonidien", Basel MDCCCLXIX (1869), 56 Seiten:
Und hier:
(http://www.biolib.de/)
(http://biolib.mpipz.mpg.de/library/authors/author_00231_de.html) =

↓ Das Mikroskop (1877)" von Carl Nägeli und Simon Schwendener
Nägeli, Carl; Schwendener, Simon
"Das Mikroskop, Theorie und Anwendung desselben" (1877)
Anzahl gescannter Seiten: 691
(Mikroskopie)
Sprache: Deutsch, Erstellt am: 2003-10-09
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↓ " Schwendener, Simon; Krabbe, Gustav Heinrich; "Untersuchungen über die Orientierungstorsien der Blätter und Blüthen" (1892)
Anzahl gescannter Seiten: 118
(Botanik; Pflanzenanatomie)
Sprache: Deutsch, Erstellt am: 2003-05-02
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(http://caliban.mpipz.mpg.de/schwendener/index.html)

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Erstellt am 21.01.2015 - Letzte Änderung am 25.01.2015.