Abschrift

Emil Hartwig, geb. 18. Nov. 1910 z. Bremen Emil Hartwig 1998

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NUNC STANS

Immer bleibendes, ständig sich änderndes, J E T Z T.

 

Ich habe immer schon gesammelt alles was mir merkwürdig zu sein schien. Als Schüler bekam ich Bücher und bald kaufte ich mir immer wieder 'gute' Bücher. In Büchern und im Rundfunk, als es den dann endlich gab, konnte ich mehr erfahren von allem "was es gibt". Im Schulunterricht wurde das Weltgeschehen und die Lebenserscheinungen teilweise abgehandelt.-

Welt-Anschauung, Lebens-Sinn, Daseins-Bewältigung, Lust/Leid-Empfindungen, Persönlichkeitsproblem, Geschlechtsbeziehungen, Abstammungen .....

Hing nicht alles zusammen? - War nicht alles getrennt? - Wie war es früher? - Wie ist es heute? -

"Alles ist jetzt" - Alles Frühere, alles Künftige nur ein anderes JETZT? - Und Ich, Du, Wir, - 'nur' das immerundewige Empfinden, Erleiden, Erfreuen, usw., usw., der jeweiligen Gegenwart, des jeweiligen Jetzt? - Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft, - sie waren immer schon 'jetzt', sie sind jetzt und sie werden immerundewig JETZT sein.- Vidimus Quantum Satis Est. Als ich als Junge das noch nicht wußte, aber doch sah, wie die Blätter im Herbst in bunten Haufen herumwehten und herumlagen, und es ebenso allen Dingen, allen Menschen, mir selber ging - da übernahm ich von Karl Eugen Neumanns Anmerkungen zu seinen Buddh. Pali-Übersetzungen (Piper-Vlg.) seine Fassung des 'mementomori': Vidimus Quantum Satis Est.- Und da ein allgemeiner Sinn des Lebens nicht ohne weiteres zu finden war, wollte ich ihn überall suchen, indem ich alle Dinge zur Kenntnis nahm in ihrem früheren, heutigen, künftig zu erwartenden JETZT.- So sammelte ich denn alles Dinghafte und Sinnhafte, indem ich es überall aufsuchte, es aufhob, es in jeder nur möglichen Form zu meinem Eigentum machte.-

Was wir haben, ist die eigene Empfindung und das Wissen von den Empfindungen früherer Lebewesen. Und im Erleben und Empfinden und im Wissen davon haben wir alles.- Solange Empfinden, Erleben und Wissen noch nicht vorhanden sind, solange suchen die anderen Naturerscheinungen es hervorzubringen, Und da das JETZT nur eine Variation jedes JETZT sein kann, so kann ich nicht anders als Empfindung, Erleben und Wissen als immer dazugehörend, als immerirgendwo gegenwärtig zu vermuten.- So sehe ich im Geschehen aller Zeiten und Räume, so sehe ich im Welt-All aller Dinge immer 'nur' ein anderes, ein ähnliches, ein oft fast gleichartiges JETZT. Die Grundlagen alles-individuellen-Geschehens, indem sie sich ständig umwandeln / erneuern, bringen immer ein anderes Jetzt, eine andere Empfindung, anderes Erleben und Wissen hervor. Alles kreist ständig um sich selbst als Physik, als Biologie, als Geschichte usw.- Wir selber sind 'Zeitgenossen', sind Bewußtseinsträger der Natur, die sicherlich das ist, was in Philosophie und Religion als "das Wesen aller Dinge" als das "Ding an sich" herumgeistert.-

Und so interessieren mich, besonders seitdem ich den Mordanschlag auf mich (Sept. 1939) durch einen Trick überlebt habe, alle Faktoren des jeweiligen Daseins aller Dinge; die Maskerade aller möglichen Gegenwarten und ihrer Bewußtseinsträger.- "Coincidentia oppositorum" / Zusammengehörigkeit aller Gegensätze, alles Individuellen und Kollektiven.-

E. H a r t w i g, Bln.-Steglitz, 29.8.98 (v980829a.txt)


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Erstellt am 19.09.98 - Letzte Änderung am 03.10.1998.

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