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Vorfahren - E. K. Hartwig - Version 23.6.2017 17:00

Was wissen wir von unseren Vorfahren?
EKHs Vorgeschichte
(Alle Dokumente von George.)
»Wenn unsere Vorfahren auf die Ehe angewiesen wären, - dann gäbe es uns garnicht«

Von der um 1800 geborenen Generation kennen wir nur das Geburtsdatum oder -Jahr und im Einzelfall die Namen der Eltern. Die vorhandenen Fakten betrafen bisher fast ausschließlich die Familie Kluthe in Hagen. Das ist auch der Dreh- und Angelpunkt um den sich die Familiengeschichte im 19. Jhdrt. rankt.

Doch dank einer freundlichen Archivarin im Stadtarchiv Korbach haben wir von George viel über die Herkunft von Friedrich Hartwig erfahren:
1739 wird Christoph Georg Störmer zu Fürstenberg geboren. Am 31.10.1764 heiratet er Marie Katharina Schmidt. Beide hatten 4 Kinder. Das 3. Kind war Johann Heinrich Störmer geb. 14.6.1776 gest. 19.10.1835 im Armenhaus. Dieser Heinrich, von Beruf Kuhhirte, heiratet am 26.5.1805 Henriette Figge. Unabhängig von dieser Tatsache wird ihm am 6.3.1807 eine uneheliche Tochter geboren: Florentine Störmer, mit zweitem Vornamen Katharina. Florentine wird es, wahrscheinlich mangels Mitgift, nie in den Hafen der Ehe schaffen, aber soweit wir wissen sind die Namen der Väter ihrer Kinder bekannt. Von Justus Klein bekommt sie 1830 eine Tochter und von dem Chausseewart Gottlieb Hartwig am 12.5.1842 ihren Sohn Friedrich Justus Philipp Hartwig der Vater von Oskar und Emil Carl Hartwig

Doch zurück nach Hagen dort wurde 1803 Elisabeth (Lisette) Jasson geboren und heiratete am 5.5.1822 in Hagen den ledigen Schneider Johann Klute. Ihre Eltern, Josef Jasso und Elisabeth Nicolai, wohnten zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in Hagen, während seine Eltern, Caspar Kluthe und Elisabeth Herstelt in Freienol südöstlich von Arnsberg wohnten. Bis zu ihrem Tode am 18.05.1850 mit 47 Jahren schenkte Lisette mindestens neun Töchtern das Leben, über die Nachweise vorliegen. Auf ihrer Sterbeurkunde steht, dass sie ein volljähriges und sechs minderjährige Kinder hinterläßt (Volljährigkeit erlangte man damals wohl mit dem 25. Lebensjahr, siehe Deutsches Rechtswörterbuch (DRW), im preußischen Hagen jedoch schon mit 21 Jahren [*1].

kath. Kirche in Hagen
     In dieser Kirche wurden alle Klute-Töchter getauft.

Hier die Liste der Töchter, Söhne scheint es in der Ehe Kluthe nicht gegeben zu haben:
(Quelle: Taufregister der kath. Pfarrkirche St. Marien, Hagen)
1827-06-17 Josephine
1829-06-04 Caroline Wilhelmine
1831-10-30 Franziska Friederike Julie
1834-07-01 Bernadine Elisabeth
1837-08-20 Johanna Karoline Auguste
1840-12-22 Johanna Mathilde
1844-03-12 Anna Johanna Antonie
1849-02-12 Karoline Johanna Eulalia


(Aus der Korrespondenz mit dem Landarmenhaus Benninghausen vom 26.7.1861:)
1832_07_04 Wilhelmine verheiratete Kühnert geb. Klute


Mathilde Kluthe, geb. 22.12.1840 in Hagen, war 10 Jahre alt als ihre Mutter am 18.05.1850 starb. Wie der Vater, der Schneider Johann Klute damit zurecht kam wissen wir nicht. Mathilde war das ca. sechste Kind, so dass man davon ausgehen kann dass mehrere ältere Schwestern noch im Haushalt lebten, die mit dem Haushalt und vielleicht auch noch einzelnen Näharbeiten dem Vater zur Hand gehen konnten.

Aus dem Ortssippenbuch Ober-Ense im Stadt-Archiv Korbach wissen wir das Friedrich Hartwig am 12.5.1842 in Ober-Ense geboren ist. Sein Vater heißt Gottlieb Hartwig und war ein Chausseewärter aus Schlesien, seine Mutter Florentine Störmer geb. *06.03.1807 gest. †20.05.1872. Beide waren nicht miteinander verheiratet.[*3] Dadurch dass kein Geburts- und kein Todesdatum von Gottlieb Hartwig vermerkt ist liegt der Gedanke nahe, dass er sich nicht bis zu seinem Lebensende in Ober-Ense aufgehalten hat und evtl. schon bald wieder weiter gezogen ist, aber das ist eine nicht gesicherte Vermutung.

Karte des Fürstentum Waldeck
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Karte des Fürstentum Waldeck
     Das Fürstentum Waldeck
Wappen des Fürstentum Waldeck
     Wappen des Fürstentum Waldeck

Ca. im Mai 1867 findet sich der erste schriftliche Nachweis über den 1842 geborenen Schneider Friedrich Hartwig. Vielleicht hatte er beim Schneider Klute in Hagen nach Arbeit gefragt, denn er war gerade ohne feste Anstellung, d.h. vermutlich befand er sich auf der im Beruf üblichen "Wanderschaft". Jetzt war er jedoch in Hagen krank und fiel der Armenfürsorge zur Last. Hagen gehörte zu Preußen während die für Friedrich zuständige Heimatgemeinde im Fürstentum Waldeck lag. Dadurch wurde eine Akte angelegt und nachgeforscht wer denn aus seiner Familie für die Kosten aufkommen könne. Die Resonanz auf dieses Ersuchen war niederschmetternd. Seine Heimatgemeinde war Ober-Ense im Fürstentum Waldeck, dort war Friedrich geboren und er hielt sich auch bis zum 17. Lebensjahr dort auf. Wörtlich schrieb der Bürgermeiser von Ober-Ense (auch Oense oder OEnse geschrieben): »Es wird hiermit bescheinigt 1) das der Schneider Geselle Friedrich Hartwig der Gemeinde OEnse angehört 2) sein bisheriges betragen ist nicht Löblich[*4] 3) seine Eltern sind Florentina Störmer aus OEnse sein Vatter war ein Schlesinger[*2] 4) kein Vermögen besitzt er hier nicht hat auch keine angehörige" OEnse am 26ten Mey 1867, Burgemeister Steuber, SIEGEL DER GEMEINDE OBER ENSE.« Daraufhin gab der Kreisrat aus Korbach weiter: »ist der Schneidergeselle Friedr Hartwig der Gemeinde OEnse, besagten Kreises, angehört. Er ist der unehliche[*5] Sohn einer ganz armen Person, besitzt kein Vermögen und keine alimentationspflichtige vermögende Angehörige.« Corbach am 28ten Mai 1867, Der Kreisrath

Ein Jahr später schmiedete Friedrich Heiratspläne. Seine Akte in Korbach ziert ein Schreiben vom 22. Mai 1868 mit dem abschließenden Satz: »Da ich nun dieses Attest zu meiner Verheiratung bedarf u. es in etlichen Tagen gerne hätte so bitte ich hiermit um Beschleunigung.« Dem kam man in Korbach auch umgehend nach, das Schreiben trägt die Randnotitz: »30/5 68 Leumundszeugnis abges.«

Eine Urkunde zur Hochzeit existiert bisher nicht, die Trauung wird aber noch 1868 stattgefunden haben, nach einer relativ sicheren Quelle am 30.08.1868. Es existieren keine Belege, aber man kann wohl davon ausgehen das Friedrich das Schneidergeschäft vom Schwiegervater Kluthe weiter geführt hat nachdem er seine Tochter Mathilde heiratete. Nach einer begründeten Rechnung müsste zu diesem Zeitpunkt Johann Klute ca. 80 Jahre alt gewesen sein, wenn er dann noch lebte.

Das erste Kind aus Friedrichs und Mathildes Ehe, Alma geb. 29.11.1868, verstarb einen Monat später am Weihnachtstag den 25.12.1868. Ein Jahr darauf, am 14.12.1869, wurde der Sohn Oskar Wilhelm Julius August geboren, später in der Familie bekannt als "Oskar, der Waffelfabrikant". Der zweite Sohn Maximilian, geb. 25.10.1871, starb als Kind. Das vierte und letzte Kind der Familie Hartwig war Emil Carl (später gewöhnlich "Karl" geschrieben) geboren am 30.09.1873.

Friedrich Hartwig nimmt dem Sagen nach am Krieg 1870/71 gegen Frankreich teil und stirbt zwei Jahre später am 11.03.1873 noch bevor sein Sohn Emil das Licht der Welt erblickt hatte. Mathilde heiratete im folgenden Jahr Friedrich Sturm. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Zu erwähnen wäre nur noch eine Entdeckung am Rande, auch durch George. Durch das Schreiben einer Frau J. Hold geb. Klute vom 1.9.1882 an die Direktion des St. Johannis Hospitals zu Marsberg um das Befinden ihrer Schwester Mathilde Sturm, verw. Hartwig, geb. Klute, erfahren wir, dass eine der vielen Schwestern von Mathilde geb. Klute in Hagen, Kirchplatz 10 mit einem Herrn Hold verheiratet ist. Und in einem Buch über das Landarmenhaus Benninghausen ist ein Schreiben an die Leitung des Hauses abgedruckt aus dem hervorgeht, dass die Absenderin, Wilhelmine Kühnert geb. Klute, nach einem Jahr Aufenthalt in diesem Armenhaus, zu (ihrer Schwester) ihrem Schwager Joh. Hold in Hagen gezogen sei. (s. unten[*0]) Dass Wilhelmine 1861 im Alter von 29 Jahren, gehbehindert mit zwei Kindern, aus was für Gründen auch immer, statt im Hagener Elternhaus, nach einem Jahr im Armenhaus bei ihrer Schwester unterkam, läßt die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Schneiderei Kluthe nicht im besten Licht erscheinen. Und das war 7 Jahre bevor der Schneider Friedrich Hartwig ihre Schwester Mathilde in Hagen heiratete.


[*0]
Auszug aus dem Buch: Lebenszeichen. Privatbriefe unterbürgerlicher Schichten aus den Akten des Landarmenhauses Benninghausen (1844-1891)

Nr. 47

Wilhelmine Kühnert geb. Klute
Aktennummer: 13281
Letzter Wohnort: Bochum
Geboren: 4.7.1832
Geburtsort: Hagen
Familienstand: verheiratet
Konfession: evangelisch
Aufenthalt in Benninghausen: 23.8.1860-7.7.1861

Kontext: Kühnert, die an Krücken ging, kam mit ihrer 2 1/2 Jahre alten Tochter Caroline in das Landarmenhaus. Der ältere Sohn Hermann lebte in Dortmund in einer Pflegefamilie. Für die Kosten kam nicht der westfälische Landarmenverband, sondern der Landarmenverband des Regierungsbezirks Düsseldorf auf.

Wilhelmine Kühnert an den Leiter des Landarmenhauses Benninghausen, 26.7.1861

Hagen, den 26. Juli 1861, Herr Oberinspector De Renedi
Sie werden mir gütigst verzeihen daß ich ohne erlaubnis dort fort gegangen bin, ich bath mehrere mal die Oberaufseherin mich doch einmal bei Ihn zu lassen um Urlaub bei Ihnen zu erbitten, daß ich doch einmal mein Kind in Dortmund besuchen dürfe, weshalb ich keine Ruh noch Rast hatte, so habe ich mier folge dessen daß ich nicht zu Ihnen gelassen wurde ohne erlaubniß von dort entfernt. und ihre Hochwürden Herrn Oberinspektor und Herr Landrath haben mier ofter gesagt wenn ich ein Unterkommen hätte, wolten sie mier gern entlassen. Da ich jetzt ein Unterkommen habe bei meinem Schwager Joh. Hold in Hagen so möcht ich Sie freundlichst bitten, da meine Kleidungsstücke in Bochum alle entkommen sind, mier doch das jenige was ich noch in der Anstalt habe, mit der Reise-Tasche gütigst schicken zu wollen, denn ich kann mier mit der Kleidung gar nicht wechseln
Auch kann ich die Kleidung die ich an hatte noch nicht entbehren denn ich habe sonst nichts, muß ich Sie aber nächstens zurück schicken, so wollen Sie es gütigst umgehend bei bemerken, auch habe ich mier gleich bei meiner Ankunft auf der Pollizei angemeldet, nun möcht ich Sie freundlichst fragen, ob meinen Paß welchen ich von Darmstadt mitgebracht habe in Sost liegt, daß sie mier den gütigst schicken wollen, oder irgend ein anderes Schreiben um meinen Aufenthalt hier nehmen zu können, und so bald wie ich kann will ich auch das Kind holen lassen und meine Krücken. Und danke vielmals für die gute Pflege die Sie mier Ihre Hochwürden Herrn Oberinspektor haben angedeihen lassen, auch einen freundlichen Gruß an den Herrn Kaplan, und danke vielmals für die gute Lehre die ich von Ihm erhalten habe Frau Kühnert



[*1] ... wiewohl nach ordnung der rechten die vormundschaft der ohnmuͤndigen soͤhne zu vierzehn jahren, und der toͤchter zu zwoͤlf jahren sich endet, dieweil aber dennoch solche junge personen, bis sie fuͤnf und zwanzig jahr alt werden, fuͤr minderjaͤhrig in rechten gehalten ... werden
1739 Bewer,Rechtsfälle V 39

[http://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/]

Das galt aber im 19. Jhd. nicht mehr überall. In Preußen, Bayern, Baden und Hessen z.B. war man mit 21 Jahren volljährig und Hagen gehörte zu Preußen. wiki-de.genealogy.net/


[*2]
Zu "Schlesier"[v. sh]: Unter http://expolis.de/schlesien/texte/wrzeszinski.html steht:
"In den 40er Jahren [des. 19. Jhds.] ließ sich die Auswanderung des proletarisierten Kleinbürgertums nach Berlin und in den 50er Jahren die ersten Ausreisen kleiner Gruppen von oberschlesischen Bauern nach Amerika beobachten. … Diese Tendenz verlor aber trotz der Befürchtungen preußischer Behörden bald an Bedeutung, wobei gleichzeitig die Migration nach West- und Mitteldeutschland zunahm. Weiterhin überwog freilich die Saisonarbeit über die ständige Auswanderung."


[*3]; [*5]
Leider kennen wir die näheren Umstände nicht. Wir wissen nur dass es sich zu diesem Zeitpunkt um äußerst ärmliche Familienverhältnisse handelte. Auf der Seite des Deutschen Historischen Museums kann man ergänzend dazu lesen:
"... Die Mehrheit der kleinstädtischen und ländlichen Bevölkerung setzte sich aus besitzarmen und landlosen Familien zusammen. Sie lebten häufig in „wilder Ehe“, denn für den Zugang zum Heiratsmarkt war der Besitzstand entscheidend: Wer sich ehelich niederlassen wollte, musste zumeist ein gewisses Vermögen oder ein schuldenfreies Haus vorweisen können. Allein wegen natürlicher Bedürfnisse waren ledige Grundbesitzlose aber Familiengründungen nicht abgeneigt. Zwischen 1815 und 1848 resultierte daraus in fast allen deutschen Staaten eine überproportionale Zunahme unehelicher Kinder." [www.dhm.de/lemo/kapitel/vormaerz-und-revolution/alltagsleben]


[*4]
"sein bisheriges betragen ist nicht Löblich" Hierzu ist anzumerken, dass diesen Worten damals nicht die selbe Bedeutung unterlegen haben muss, wie wir sie heute verstehen. Zum anderen, welche "Löblichkeit" kann man wohl nach unserem Verständnis von einem unehelichen in vollkommen verarmten dörflichen Umständen aufgewachsenen Jungen in den ersten 17 Jahren seines Lebens erwarten?



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Erstellt am 03.06.2017 - Letzte Änderung am 23.06.2017.