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Oskar Loerke
Die gespiegelte Stadt


Der Regen fällt. Berlin durchhallt die kalte
Sintflutmusik der Nacht. Der Regen fällt.
Noch ein Berlin, steil auf den Kopf gestellt,
Versinkt umgraut, verschwollen im Asphalte.

In steifen Prozessionen stehn Laternen
Und glühn tief unter sich, und schwarzer Stein
Scheint alle Leere, aller Raum zu sein
Bis in des Himmels stumpf geballte Fernen.

Im Stein stehn Bilder, gleich vergessnem Truge
Magnetisch an die obre Welt geklebt.
Sinds Häuser? Straßen? Leben kommt und schwebt
Verkehrt, verwünscht, gleich einem Faschingszuge.

Die Menschen wollen in den Himmel schwinden,
Hinab, gleich Blättern, vom Asphalt geweht,
Hinab in sinkend schönem Kreis gedreht,
Sich selig in die Wettertiefe winden.


Erstausgabe 1911.
Lieferbare Ausgabe: in "Die Gedichte"
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1984

Was Malern von Rang gelungen ist, Berlin im nächtlichen Regen darzustellen, das hat Oskar Loerke durch diese Verse geschafft, Bilder zu vermitteln von der bei Nässe surreal veränderten Metropole bei Nacht.

Wilhelm Lehmann
AUF SOMMERLICHEM FRIEDHOF (1944)

In memoriam Oskar Loerke

Der Fliegenschnäpper steinauf, steinab.
Der Rosenduft begräbt dein Grab.
Es könnte nirgend stiller sein.
Der darin liegt, erschein, erschein!

Der Eisenhut blitzt blaues Licht.
Komm, wisch den Schweiß mir vom Gesicht.
Der Tag ist süß und ladet ein,
Noch einmal säßen wir zu zwein.

Sirene heult, Geschützmaul bellt.
Sie morden sich: es ist die Welt.
Komm nicht! Komm nicht! Laß mich allein,
Der Erdentag lädt nicht mehr ein.
Ins Qualenlose flohest du,
O Grab, halt deine Tür fest zu!


Datierung: 25.7.1944; im Tagebuch vom 5.1.1945.
(Erstdruck in "Das Gedicht in unserer Zeit".
Hannover. 1946. S. 50f.;
aus: W.L.: Gesammelte Werke.
Bd. 1. Gedichte.1982. S. 157)

eingesandt von Knud Albert J., Jan. 2010

Oskar Loerke *13.03.1884 in Jungen (Westpreußen) - †24.02.1941 in Berlin-Frohnau; erhielt den Kleistpreis 1913 und war Lektor im S.Fischer Verlag. Ab 1926 Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, Berlin.
Auch nach 1933 hatte er „mit der "nationalen Erhebung" nichts zu schaffen, machte keine Zugeständnisse an das "Zeitgemäße".”.*) Nach 1933 sah er für sich nur den Weg in die "innere Emigration" und 1941 beendete er sein Leben.
*)Reinhard Tgahrt in "OSTDEUTSCHE BIOGRAPHIE"

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© W. Hartwig 2011 - [Stand: 26.01.2012]